Sonntag, 29. Mai 2011

Finally... Coimbra

Ich bin ganz erstaunt, dass ich den Weg nun doch noch zustande gebracht habe und Samstag früh um 8, ungefähr 6 Stunden nach spontaner Ausflugsplanung, in Begleitung meiner liebsten polnischen Ex-Mitbewohnerin, im Bus nach Coimbra saß. Natürlich kann ich mir das zeitlich im Moment überhaupt nicht leisten, da die Uni mich auch nach Unterrichtsende nicht in Frieden lässt... :)
Eine Freude war, dass der Wetterbericht sich ziemlich gründlich geirrt hatte und wir zwei sehr sonnige Tage erlebt haben, und die Plage daran, dass wir uns temperaturmäßig vorkamen wie in der Wüste.
Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass Coimbra gar nicht so alt und ehrfürchtig erscheint, wie ich mir das immer vorgestellt habe und abgesehen von der Größe gar nicht so anders aussieht als Lissabon. Der Tejo allerdings ist irgendwie blauer.



Weiterhin wirkt es, als wären die Bewohner Coimbras sehr viel politischer als ihre Landesgenossen im Süden. Die CDU (hier mal kommunistisch) macht auch fleißig Werbung auf städtischen Treppen:

Dieser in Stein gemeißelte Bewohner wird bei so viel Liebe zum Kommunismus wohl nicht so gern gesehen und fühlt sich sicher angemessen bedroht. Es bleibt die Preisfrage wer wie dort oben heraufgeklettert ist.

Da wir die Stadt alles in allem für nicht so groß und zwei Tage Aufenthalt für ausreichend befunden haben, konnten wir viel Zeit faul auf den Parkbänken des Jardim Botânico und Jardim da Sereia herumsitzen. Für übermäßige Wanderlust war es sowieso viel zu warm.

Am nächsten Morgen haben wir uns dann noch auf die andere Seite des braunen Flusses Mondego begeben, um uns nicht interessante Sehenswürdigkeiten entgehen zu lassen. Hier findet man die Ruinen des Klosters Convento de Santa Clara, das seinen Dienst einst wegen regelmäßigen Überflutungen einstellte, von denen es laut einem Informationsfilm auch in diesem Jahrtausend noch heimgesucht wird.





Gleich nebenan kann man dann die ganze Bandbreite portugiesischer Architekturleistungen in Kleinformat bewundern. Im "Portugal dos Pequenitos" ist tatsächlich alles eher in Kindergröße gebaut. Das hat uns natürlich nicht vom spielen abgehalten. Dieses ebenso kleine wie niedliche Häuschen und ich zum Beispiel, haben eine Gemeinsamkeit: Wir sind fast gleich groß.


Toll ist aber auch das Innenleben der einzelnen Bauwerke: Seit Monaten wollte ich schon das Museu Nacional do Traje (Trachtenmuseum) in Lissabon besuchen und es will sich einfach nicht so recht Zeit dafür finden. Nun aber habe ich zumindest die Miniaturversion des Ganzen in Augenschein nehmen können.

Überhaupt bietet das Gelände die verrücktesten Zusammenfassungen portugiesischer Sehenswürdigkeiten. Hier zum Beispiel folgende berühmte Bauwerke Lissabons in einem:

Der Torre de Belém, die Catedral Sé de Lisboa, das Casa dos Bicos, der Torbogen zwischen Rua Augusta und Praça do Comércio, das Castelo de São Jorge, das Mosteiro dos Jerónimos uuund im Hintergrund das Teatro Nacional Dona Maria II, das sich in der Originalversion am Rossio findet.

Das klingt jetzt vielleicht erst einmal ein bisschen überfordernd aber der aufmerksame Leser, der mich hier bereits wenigstens einmal besucht oder all meinen vielen Posts Aufmerksamkeit geschenkt hat, wird feststellen, dass er fast all diese Dinge bereits gesehen hat.

Interessant war, dass der Zustand der Nachbauten dem der Originale sehr Nahe kommt. Vielleicht gewollt - aber vermutlich liegt das einfach daran, dass sie so ziemlich den gleichen Wetterbedingungen ausgesetzt werden und dabei eine ähnliche Regelmäßigkeit an Pflege genießen.

Bevor ich euch nun gleich noch von der Perfektion einzelner Nachbildungen überzeuge, will ich eine gewisse Verwirrung zum Ausdruck bringen: Als wir versuchten ein Zugticket für die Rückfahrt zu kaufen, hat der Mann am Ticketschalter uns tatsächlich den uns zustehenden Rabatt verweigert - und ich stand plötzlich ziemlich doof da mit meinen 3 verschiedenen Karten, die mir eigentlich alle aus unterschiedlichen Gründen den Erlass von 50% auf ICs zusichern sollten. Jede einzelne dieser Karten wurde kritisch beäugt und dann abgelehnt und mein hiesiger Studentenausweis sogar noch als Fälschung deklariert... und "ISPA - Instituto Universitário" - gibts das überhaupt? (Nun gebe ich ja gern zu, dass man sich bei der ERASMUS-Version dieser an der ISPA mehr Mühe hätte geben können - zumal ich sie erst nach sage und schreibe einem Semester erhalten habe - aber FÄLSCHUNG?? Wenn ich einen Studentenausweis fälschen würde, dann würde ich doch wenigstens ein Ablaufdatum drauf schreiben!) Zum Schluss bekamen wir dann wenigstens einen minderwertigen Rabatt von nur 3€ statt 7, den man eigentlich nur für eine Karte bekommt, die ich überhaupt nicht besitze...
Portugal, ich werde bald wirklich etwas vermissen!

Und nun wie versprochen die Original- & Fälschung-Ratestunde:




Freitag, 20. Mai 2011

Então Portugal, was bringt der Tag?

Vielleicht muss man, um mich zu verstehen, die Orte gesehen haben, die ich gesehen habe und die Menschen gekannt haben, die ich kannte. Wenn das so ist, haben ungewöhnliche Wege wohl die Folge, dass man missverstanden wird.

Tatsächlich habe ich mich in den letzten Wochen sehr oft an die Algarve zurückgewünscht - wo alles das letzte Mal unkompliziert und klar zu sein schien. Zurück in Lissabon warteten plötzlich Rastlosigkeit und Chaos. Es ist diese eine Lektion, die ich auch nach neun Monaten Portugal einfach nie lerne: Nimm die Gegenwart wie sie kommt. Erwarte nichts und freue dich über die schönen Überraschungen. Portugal ist ein Land des Augenblicks - jeden morgen wacht man auf und man weiß nie was kommt. Planung? Vorhersagen? Fast völlig unmöglich.

Seit ich damals in Porto gelandet bin, hat sich viel mehr verändert, als ich mir je hätte vorstellen können. Und trotzdem fühle ich mich manchmal schlagartig an den Anfang zurückkatapultiert. Auf einmal bleiben mir nur noch fünf Wochen bis zu dem Punkt, an dem ich plötzlich nicht mehr hierher gehören werde - aber auch noch nicht wieder nach Deutschland. Und warum sind gerade diese letzten Wochen verrückter, ereignisreicher und überwältigender als alle anderen zuvor? Am Anfang des zweiten Auslandsjahres meines Lebens habe ich mir noch gesagt: "Been there, done that!" - für mich wird das ja diesmal alles keine große Überraschung mehr. Aber von etwas überzeugt zu sein ist eben nicht alles. Wie unterschiedlich zwei Länder, die doch weltweit gesehen so nah beieinander liegen, wirklich sein können, ist nur eine der vielen Überraschungen die Portugal für mich hatte.

Seit diesem speziellen ersten September im letzten Jahr, hatte ich 3 Wohnungen in drei sehr verschiedenen Vierteln Lissabons und 16 verschiedene Mitbewohner aus 10 verschiedenen Ländern. Die meisten Freunde die ich hier habe sind Polnisch und Spanisch. Für 3 Tage im Januar hatte ich plötzlich gar kein Heim. Die letzte Vorlesung und das letzte Seminar in Portugal hatte ich gestern. Es sind Dinge passiert, die auf einer "was-könnte-alles-passieren-Liste" sicher niemand auflisten würde und trotzdem war jedes einzelne, im ersten Moment negative, Erlebnis am Ende für irgendetwas gut. Wäre ich damals im September zuerst in meine jetzige Wohnung gezogen - vielleicht hätte ich sie nicht sehr zu schätzen gewusst. Aber nach all den Umständen in der Vergangenheit erscheint sie mir perfekt. In jedem Haus hatte ich solche Mitbewohner, die ich am liebsten nie wieder sehen möchte und solche, die ich nie wieder missen will.

Aus eher verhaltenen ersten Begegnungen wurden manchmal die besten Freundschaften und aus Überschwung, Freude und gleicher Wellenlänge verlief sich vieles im Sand. Sollte ich damals in den ersten Wochen eine Prognose aufgestellt haben, wer mir zum Schluss am nächsten steht - ich habe das Ziel sicherlich weit verfehlt. Manchmal sind mir auch plötzlich unglaubliche schöne Ereignisse zuteil geworden - doch das passiert immer nur dann, wenn man es am allerwenigsten erwartet. Manchmal bekommt man das Gefühl Portugal fädelt es mit Absicht so ein, dass jede Erwartung bestraft wird.

Es ist entweder das Land, in dem Menschen oft lächeln, wenn sie gar nicht lächeln wollen und schöne Worte benutzen, deren Inhalt zu nicht mehr dient als den Hörer zufriedenzustellen oder das Land, in dem eine Meinung sich von einer Sekunde zur nächsten um 180° wenden kann. Was man über uns Deutsche hier nie verstehen wird, ist, dass wir schöne Worte zwar gern hören - aber nur bis zu dem Punkt an dem wir merken, dass sie vielleicht schon bald nicht mehr wahr sind. Wir verlassen uns auf Worte und machen Pläne, die Portugal dann durchkreuzt. Höflichkeit und Freundlichkeit sind für uns manchmal dann schweigen, wenn sie hier reden bedeuten - ein ehrliches "ich weiß es nicht" anstelle einer gut gemeinten aber irreführenden Information; Stille anstatt angebotener Hilfe, die wir nie bekommen werden.

Vielleicht sind es diese Missverständnisse, die einen schon vor der Zielgeraden einige der Menschen verlieren lassen, die einem am wichtigsten waren. Doch kann man wütend auf eine Person sein, die nur geht weil sie es für sich für das Beste hält? Kann man sich Fehler vorwerfen, die man nur gemacht hat, weil man die anderen Personen auf Grund kultureller Unterschiede und Überzeugungen missverstanden hat? Ich weiß es nicht, Portugal, aber vielleicht bringst du mir ja eines Morgens, in einer deiner schönen Überraschungen, wieder, was ich nicht vermissen würde, wenn du es mir nicht erst gegeben hättest.

Dann bleibt also die Frage, ob die Erlebnisse all diese Auf und Ab's wirklich wert sind. Und das sind sie. Denn wenn wir etwas vermissen, dann nur weil es schön war und erst wenn jemand geht, wissen wir es zu schätzen, dass es Menschen gibt, die aus freien Stücken bei uns bleiben. Wer will schon ein eintöniges Leben, nur weil es sicher erscheint und uns keine Narben beschert. Ich weiß nicht was die Zukunft noch bringt und ich versuche keine Erwartungen zu haben.

Nun geht es darum, die verbleibende Zeit so gut zu nutzen, wie es geht. Da sind auch noch all die Orte, die ich immer besuchen wollte - und ich arbeite nun Tag für Tag daran, sie alle zu sehen.

Heute habe ich sodann endlich eines meiner lang angestrebten Ziele von meiner To Do-List streichen können.

Palácio Nacional de Queluz: